Liebe Schwestern und Brüder in Coesfeld!
Gerade in dieser geisterfüllten Zeit um Pfingsten frage ich mich, ob ich nun doch langsam alt werde. Keine Sorge, ich denke nicht an die Rente. Nein, es hat eher damit zu tun, dass ich ein altes Sprichwort, das mir früher eher etwas humorvoll auf die Nerven ging, plötzlich ganz gut finde. Ich habe es häufig in meiner Krankenhaus-Zeit gehört: „Man lernt solange, bis alle Finger gleich lang sind“. Wie oft schaue ich seither auf meine Finger und nehme schmunzelnd wahr, ja, die hatten recht, ich muss noch weiter lernen. Nicht nur bei mir fällt mir dies auf, auch bei all den Menschen, ob jung oder alt, in meiner Umgebung. Jeder Mensch muss immer, zumindest wenn er weiterhin in dieser Welt leben will, lernen!
Aber auch unsere Kirche, unsere Pfarreien, müssen als Systeme lernend bleiben. Dies wurde mir in seiner theologischen Dimension bei einem Vortrag von Bischof Dr. Overbeck sehr deutlich. Auf die Frage, was in unserer Kirche unveräußerlich, also unveränderlich sei, antwortete er, dass dies das Doppelgebot der Liebe sei. Wenn also final die Liebe von uns Menschen zu Gott und daraus abgeleitet, die Liebe zum Nächsten einzig unveränderlich ist, bedeutet dies auf der einen Seite große Unsicherheit, aber auf der anderen Seite eine große Freiheit.
Seien wir also mutige Christinnen und Christen, hören wir gut zu, stellen wir Fragen, zeigen wir echtes und tiefes Verständnis für diese Welt und trauen wir uns Antworten zu. Denn es stimmt, wir lernen, bis all unsere Finger gleich lang sind.
Ihnen ein frohes und gesegnetes Pfingsten im Namen aller Kolleginnen und Kollegen in der Seelsorge und den vielen anderen Diensten in Coesfeld.
Ihr Jörg Hagemann, Pfarrer